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Das Paar Sägesser hält den bisher einzigartigen Fehldruck stolz in den Händen. Foto: zvg
Eine seltene Entdeckung elektrisiert einen Briefmarkenhändler. Fachwelt zeigt sich überrascht. Nach Bekanntgabe erreichen ihn bereits Angebote für mehrere Tausend Franken. Händler lässt offen, ob er verkaufen will oder nicht.
Vor ein paar Wochen erhielt Stefan Sägesser viele Bananenkisten, gefüllt mit Briefmarken. Frankaturware, also ungestempelte Briefmarken, die man noch weiter benutzen kann. Der Briefmarkenhändler wühlte sich durch die tausenden von Briefmarken durch. Im Nebenzimmer sortierte seine Frau ebenfalls mit. Plötzlich hörte er sie rufen: «Was ist das denn?» In der Hand hielt sie einen sogenannten Kleinbogen mit zehn Briefmarken der Serie «50 Jahre Rega». Das Besondere an den Briefmarken war damals ein hübsches Hologramm, das je nach Lichtfall in allen Farben glitzerte. Bei den zehn Briefmarken war das Hologramm allerdings verschoben und zwar sehr deutlich. Sägesser guckte sich die Briefmarken an. Im ersten Moment ärgerte ihn, dass er nicht selbst den Druckfehler entdeckte. In der Briefmarkenszene nennt man so einen Fehler eine Abart. Dann rief er seine Freunde an, schickte eine Kopie an Experten. Niemand hatte jemals diese Abart gesehen. Das Besondere: Jede dieser zehn Briefmarken hatte ein verschobenes Hologramm. Das machte die Sache noch spezieller.
Im Leben eines Briefmarkensammlers kommt so etwas äusserst selten vor. «Sägi», wie ihn seine Freunde nennen, zitterte leicht. Er schickte seinen Sensationsfund an zwei Prüfstellen, die sich nur um die Echtheit von wertvollen Briefmarken kümmern. Nach ein paar Tagen erhielt er dann das Prüfungsattest: «Befund: Marken mit Abart sind echt.» Die Freude an der Entdeckung ist immer noch da. Der Schatzgräber zeigt sich am Telefon leicht enttäuscht: «Schade, haben wir uns nicht irgendwo getroffen. Dann würden Sie mich jetzt nämlich strahlend sehen.» Mit den kleinen Postwertzeichen teilt der 60-Jährige eine langjährige Leidenschaft. Der umtriebige Händler wurde schon früh mit dem Briefmarkenfieber angesteckt. Als Jugendlicher fuhr er am Samstag nach Zürich, wo an grösseren Plätzen Automaten standen, mit denen man gegen Geld Briefmarken ausdrucken konnte. Automatenmarken. Besonders schön sahen die Marken nicht aus. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an die einfach gestalteten Marken. Den Jugendlichen interessierte aber schon damals die Abarten. Er liess sich hunderte von 5-Rappen-Automatenmarken ausdrucken und hoffte auf eine Fehlprägung.
Und er hatte immer wieder Glück. «Die Abarten verkaufte ich Sammlern für 7 Franken.» Ähnliche Biographien gibt es bei Philatelisten viele. Mit der Pubertät kommen die Liebe und dann der Ernst des Lebens. Oder beides gleichzeitig. Manche verstauen die Briefmarken in den Estrich und nehmen sie für ihre Enkelkinder wieder zur Hand. Ähnlich hätte es auch bei ihm verlaufen können. Aber das Leben spielte ein anderes Lied. Der Zuger wurde Pöstler und arbeitete zehn Jahre lang als Briefträger. Dann wurde er Aussendienstler der Oswald Nahrungsmittel GmbH. Bis ihn Mitte 50 der Schock traf: die Kündigung. Das war vor etwa fünf Jahren. Zu jung für die Frühpension, zu alt für einen neuen Job. Es war wieder die Frau an seiner Seite, die das Potenzial entdeckte. «Mach doch dein Hobby zum Beruf. » Briefmarken als Beruf? Viele würden den Kopf darüber schütteln. Wer sammelt heute noch Briefmarken? Der Endfünfziger liess sich nicht entmutigen. Am 1. April 2022 eröffnete er das Unternehmen Stefan Sägesser Briefmarken & Münzen. Der Präsident des Zuger Philatelistenvereins hat sich in kurzer Zeit einen Namen als Experte gemacht. In vielen Schweizer Haushalten schlummern immer noch riesige Bestände an Briefmarken. Sägesser hilft den Erben bei der Orientierung. Die Leidenschaft für die kleinen Wertzeichen hat aber allgemein abgenommen. In früheren Jahren hatten viele ein Abonnement bei der Schweizer Post und erhielten alle paar Monate die neuesten Briefmarken zugeschickt. Viele glaubten an eine Investition, die sich später auszahlen werde. Viele täuschten sich.
Der Brief- und Münzenhändler interessiert sich natürlich auch für den Wert seiner Briefmarken. Aber zuerst komme die Leidenschaft, sagt er am Telefon. Auch habe sich der Briefmarkensammler im Laufe der Zeit geändert. Heute gebe es immer weniger den Sammler, der alles in die Alben stecke. «Ich beobachte, dass der Trend Richtung Motiv-Philatelie geht.» Männer und Frauen ab 40 Jahren vertiefen sich in die Geschichte ihres Dorfes, ihrer Strasse oder Vereins. Und dann starten sie eine Sammlung von alten Dokumenten, darunter auch Briefmarkenstempel oder Ansichtskarten. Was er am liebsten macht, sind die Besuche in Schulen. Kinder mit dem «Briefmarken-Fieber anzustecken», das begeistert ihn. Dabei erinnert er sich an seine eigene Schulzeit. «Mein Lehrer war ein eingefleischter Mineralien-Sammler. Er hat mich damit angesteckt.» Noch heute freut er sich beim Anblick eines schön geschliffenen Amethysts. Gut besucht sind aber auch seine Kurse, wo er Anfängern die Grundbegriffe beibringt.
Die Szene ist gross. Er wird häufig gebeten, bei exklusiven Angeboten der Schweizer Post mitzubieten. Zum Beispiel bei den Jass-Briefmarken, welche die Post letzte Woche herausgegeben hat. Ein Bogen wurde nur 1967 mal gedruckt. Innert vier Minuten waren alle Marken verkauft. Alle. «Sägi» und sein Team konnten sich als Händler 42 Exemplare sichern. Kommen wir wieder auf die Rega- Briefmarken zurück. Welchen Wert haben die einmaligen Stücke? Da wird der gesprächige Händler etwas wortkarg. Aber gut, ein Sammler habe ihm 7000 Franken angeboten. Und, verkaufen Sie, Herr Sägesser? Er weiss es noch nicht. Eine Option wäre auch, die zehn Briefmarken einzeln zu verkaufen. Er selbst schätzt den Wert seiner Trouvaille allerdings noch etwas höher ein: 9990 Franken. Und für eine einzelne Briefmarke 999 Franken. Ob im Zehnerpack oder einzeln: Der Weg vom Hobby zum Beruf hat sich ausgezahlt.
Beni Frenkel
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